Dr. Martin Mühl - Angewandte Philosophie

Gefühle

Gefühle haben wir nur die eigenen. Wir fühlen alleine, auch wenn wir mit anderen fühlen. Das Mitgefühl ist das eigene Gefühl; andere berühren uns.

Weil wir alleine fühlen, sind Gefühle im Umgang miteinander immer einseitig. Wir mögen sie uns gegenseitig bestätigen, aber unsere Einigkeit hierüber besteht im Verstehen, nicht im Fühlen.

Das Eingeständnis der Gefühle gibt sie dem Verstehen preis. Eine Entblößung, daher auch eine Gefahr für Verletzungen. Die Gefahr, nicht verstanden zu werden.

Nicht weniger aber Chance und die einzige für persönliches und sehr persönliches Verstehen, Nähe. Fühlen genügt nicht für Verstehen. Aber wir verstehen nicht persönlich ohne das Eingeständnis von Gefühlen.

Obwohl intim, zeigen sie sich oft, ohne dass wir sie eingestehen. Sie brechen uneingestandenermaßen aus. Dann zeigen sie sich ganz emotional. Die Handlungsanleitung fehlt. Aber das ist nicht immer ein Fehler, nur eine Zumutung.

Hier müssen wir allerdings wissen, was wir tun. Denn sonst bewirken wir bei anderen wie auch bei uns selbst Unbeabsichtigtes. Eine Art Gefühlsmechanik, ein Zwang der Gefühle.

Von frühester Kindheit an lernen wir, wie sich Freude, Liebe, Sorge, Angst erzeugen lassen. Wir lernen es durch andere, indem sie uns in ihre Handlungen einbeziehen. Wir üben so einen Zusammenhang von Handlungen und Gefühlen ein, ein Muster.

Allerdings lernen wir unser Gefühlsmuster vielfach, ohne es gut zu verstehen. Wir beherrschen das Muster nur – oder vielleicht richtiger: es beherrscht uns. Solange wir es zu wenig verstehen, haben wir nicht in der Hand, es zu ändern. Es ändert sich dann nur durch neue starke Gefühle. Eine Fortsetzung der Gefühlsmechanik.

Um Gefühle zu verstehen, müssen wir lernen, über sie zu sprechen. Wir müssen darüber sprechen, wie wir in der Folge von Handlungen fühlen, und ebenso müssen wir dies von den anderen hören, ihnen hierbei zuhören.

Wir beginnen damit, unsere Gefühle zu beherrschen – oft missverstanden als bloße Unterdrückung von Gefühlen. Wir werden fähig, gewünschte Gefühle herbeizuführen und unerwünschte zu verringern. Unser Wissen von Gefühlen ermöglicht uns, unser Leben und das der anderen zu verschönern. Wir übernehmen Verantwortung für unseren Gefühlshaushalt.