Dr. Martin Mühl - Angewandte Philosophie

Anerkennung

Anerkennung ist ein Lebenselixier, wie Nahrung. Wir kommen ohne sie nicht aus. Wir gingen zugrunde. Nicht selten fehlt sie uns. Dann fühlen wir uns schlecht. Das geht den anderen auch so.

Wir anerkennen andere, indem wir gelten lassen, was sie sagen und tun. Wir akzeptieren es als ihr Denken und Handeln.

Manchmal gilt es uns auch als dem unsrigen gleich. Dann anerkennen wir einander in der Anerkennung – nicht nur in der Art, einander zu achten, sondern auch im konkreten Akt der Achtung. Es herrscht Gleichheit.

Aber auch schon, wenn sie nicht herrscht, stellen wir durch Anerkennung soziale Beziehungen her. Schon dadurch, dass wir miteinander umgehen, anerkennen wir einander als Interaktionspartnerinnen und -partner.

Anerkennen geschieht gegenseitig. Nur deswegen können wir Anerkennung auch einseitig zu- und absprechen, absichtlich oder unabsichtlich. Wir akzeptieren, was andere sagen und tun – und sei es nur, um es abzulehnen. Denn auch die Ablehnung können sie nur verstehen, wenn wir geltend machen, was wir ablehnen, eine Handlung von ihnen. Wir anerkennen sie als die ihre.

Weil das Anerkennen so wichtig ist, ist es auch schlimm, wenn es zu wenig oder nicht stattfindet. Es bildet uns. Was wir tun, wodurch wir anerkennen, wird als unser Tun und Anerkennen anerkannt. Wir werden selbst. In argen Fällen fehlender Anerkennung wird Selbstbewusstsein zerstört. Die persönliche Identität gerät in eine Krise.

Anerkennen ist kein Loben. Wir können auch loben, um anzuerkennen. Aber durch loben können wir auch kränken – ein Missbrauch, eine perfide Strategie.

Weil Anerkennen auf Gegenseitigkeit basiert, wird es nicht selten als Geschäft verstanden. Ein weiterer Missbrauch. Anerkennung schenkt man, man verkauft sie nicht. Das Geschenk entlarvt sich sonst als untergeschobene Rechnung. Das mag niemand. Man macht sich als potentieller Handlungspartner verdächtig zu täuschen.

Anerkennung geschieht freiwillig, oder sie geschieht nicht. Zwar können wir gezwungen werden, andere einzubeziehen, aber dann anerkennen wir nur den Zwang, nicht was die so Einbezogenen tun. Wir trennen. Wir anerkennen das Nichtanerkennen nicht als Anerkennen, uns treibt die Furcht. Sie ist einseitig, nicht gegenseitig. Wir fügen uns ohne Stellungnahme.