Andere
Andere sind anders. Das ist das andere an ihnen. Aber hier liegt auch die Schwierigkeit, sie darin wahrzunehmen und anzuerkennen.
Denn was an ihnen anders ist, scheinen wir immer von uns aus schon zu wissen. Wir sehen es doch, wir wissen es, alle wissen es. Aber was können wir von uns aus von anderen wissen? Wie sie anders sind? Dann sind sie nur in der Weise anders, wie wir es wissen, weil wir sie so sehen. Das wissen wir von selbst. Was hat das mit den anderen zu tun?
Wie sie anders sind, zeigt sich uns erst da, wo wir Widerspruch dulden. Wo wir uns vielleicht sogar dafür interessieren, würden wir beginnen, andere tatsächlich in ihrer Andersartigkeit zu akzeptieren. Wir würden es nicht nur ertragen, sondern sie darin anerkennen, wie sie anders denken oder gar handeln und leben. Das wäre bereits fortgeschrittenes Wissen von anderen. Wir bewiesen schon Kompetenz im Umgang mit ihnen.
Eine solche Anerkennung anderer ist schwierig, vielleicht das Schwierigste – dennoch unumgänglich, wenn es uns und natürlich auch den anderen gut gehen soll.
Es gibt hier einen Trick, eine Technik, die uns hilft, diese fortschrittliche, moderne Form eines guten Lebens leben zu können. Diese Technik bedarf gründlicher Übung. Dabei scheint sie einfach, weil wir sie ständig gebrauchen. Das Schwierige ist nur, sie richtig, also ihrem Potential gemäß zu gebrauchen. Das ist nicht nur schwierig zu tun, sondern auch schwer zu begreifen. Denn das Begreifen hängt mit dem Können zusammen. Besagte Technik besteht im Sprechen miteinander. Genauer: Es ist nicht das viele Sprechen, sondern das miteinander Verständigen.
In der Verständigung gebrauchen wir die Sprache so, dass die anderen erkennen können, worin wir mit ihnen übereinstimmen und was wir anders denken und wollen. Zugleich geht es uns darum zu verstehen, worin auch sie mit uns übereinstimmen und was sie anders denken und wollen. Das macht den Sinn der Verständigung aus. Das Sprechen wird erst zur Verständigung, wenn wir einander im Gesagten einbeziehen.
Andere sind uns nicht nur fremd. Manche sind uns auch vertraut. Und in manchem scheinen uns sogar alle vertraut. Dadurch erkennen wir sie ja gleich als andere, auch wenn wir ihnen erstmals begegnen. Sie sind uns vertraut in den Selbstverständlichkeiten.
Hier fangen die Probleme an. Denn was für uns selbstverständlich ist, muss es für andere nicht sein. Natürlich gibt es Grenzen. Manches, was für uns selbstverständlich ist und für unser Gegenüber nicht, kann dadurch zur Grenze werden. Wir sind dann nicht bereit, jemanden in seiner oder ihrer Andersartigkeit zu akzeptieren, wenn sie oder er die von uns vorausgesetzte Selbstverständlichkeit nicht achtet. Im Gegenzug kann dann natürlich unsere Nichtachtung ebenso zur Grenze für andere werden. Sie fühlen sich nicht anerkannt, gekränkt, vielleicht sogar missachtet. Hier zeigt sich ihr und unser Anderssein besonders schroff. Es zeigt sich schroff, aber nicht klar. Denn dazu müssten wir uns darüber verständigen. Und damit würden wir einander bereits ein Stückweit als verschieden, eben anders anerkennen.
Natürlich sind die anderen nicht nur Sprache. Sie sind auch Gefühle und Emotionen. Sie sind unsere Zuneigung, Liebe, Verunsicherung, Angst, vielleicht auch nur Gleichgültigkeit. Das sind jedoch unsere Gefühle, nicht die ihren. Deren Gefühle haben wir nicht. Wir können sie nur durch Verstehen wahrnehmen. Im Zweifelsfall müssen wir uns hierüber verständigen – durch sprechen.